Text von Paul Klahre
Als Gründungs- und ehemaliges Vorstandsmitglied des Vereins gibt Paul seine persönliche Sichtweise wieder und verfolgt nicht den Anspruch, für den Verein als ganzen zu sprechen.
Die Root Foundation Germany e.V. ist ein Kompromiss.
Da ist zum einen der Wille, die Root Foundation Rwanda (RFR) finanziell und ideell zu unterstützen; er entspringt dem von vielen Vereinsmitgliedern selbst bezeugten Bedarf an Unterstützung. Und da ist zum anderen die besorgniserregende Herausforderung, dass wir durch unsere Geldzuwendungen nach Ruanda ein veraltetes Nord-Süd-Gefälle fortführen und dadurch schädliche Strukturen prägen; sie ergibt sich aus der diskursiven Auseinandersetzung mit entwicklungspolitischen Themen und Kritik an (post-)kolonialen Strukturen.
Dies zeigt zwei gegensätzliche Handlungsoptionen auf: Spenden vs. Spendenkritik.
Der folgende Text diskutiert die Notwendigkeit des Spendens, Aspekte der Spendenkritik und den Umgang der Root Foundation Germany mit diesem Dilemma.
Spenden
„Wir sind dankbar für jede Unterstützung, die unsere Arbeit ermöglicht und wir schätzen es sehr, dass du dich ein Jahr deines Lebens bei uns engagierst.“ Diese Worte der Begrüßung von vor fast 4 Jahren, als ich einen Freiwilligendienst in der Root Foundation Rwanda begann, klingen noch immer nach. Sie dienen als meine persönliche Legitimation, in Deutschland Spenden für die tolle Arbeit der „Root“ zu sammeln. Kaum etwas scheint einfacher, als vor Ort in Kigali den finanziellen Bedarf der Organisation zu erkennen.
Während sich viele meiner Gedanken seit meiner Zeit in Ruandas Hauptstadt veränderten, bleibt einer bis heute unverändert: Die Arbeit der Organisation ist essentiell für die Betroffenen und - gemessen an vergleichbaren Angeboten in Kigali - so gut, dass sie in jedem Fall weitergehen und im besten Fall in Reichweite und Qualität wachsen sollte. Ihr außerordentliches Potenzial, im Leben hunderter junger Menschen den Unterschied in der persönlichen Entwicklung zu machen, gehört ausgeschöpft. Dafür braucht es notwendigerweise Geld, und dieses aufzutreiben, war eine der schwierigsten Aufgaben in jedem der letzten 8 Jahre des Bestehens der Nichtregierungsorganisation. Ausreichend lokale Mittel zur Finanzierung zu mobilisieren scheint in noch weiter Ferne (zu den Ursachen mehr unter Spendenkritik 5). Abgesehen von höherer Spendenbereitschaft im globalen Norden existiert in Deutschland, anders als in Ruanda, die notwendige Infrastruktur zum Spendensammeln (u.a. Zugang zu Fundraising-Websites, Ausstellen von Spendenbescheinigungen, Möglichkeit von PayPal-Zahlungen, Direktüberweisung ohne Transaktionskosten).
Nicht zu unterschätzen sind die positiven Auswirkungen des Spendens auf die Arbeit und Menschen vor Ort; es ist nämlich nicht nur die Finanzierungsquelle der wertvollen Tätigkeiten. Vielmehr ist das Spenden auch eine ideelle Förderung: Die Anerkennung der guten Arbeit und des freiwilligen Engagements der mehr als 10 Ruander*innen, damit ein externer Motivationsanreiz für persönlichen Einsatz, und nicht zuletzt Ermutigung zu ehrenwertem Dienst unter nicht immer leichten Bedingungen.
Wir haben also als ehemalige Freiwillige einen Förderverein gegründet. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine externe Finanzierung unverzichtbar für das Fortbestehen der RFR, deshalb engagieren wir uns. Schließlich ist es nach unserer Lernerfahrung in Ruanda und angesichts des weiterhin sehr engen Kontaktes zu Freiwilligen in Kigali noch schwerer, die Augen vor dem Bedarf der RFR zu verschließen oder ihn gar zu ignorieren. Durch den expliziten Wunsch unserer ruandischen Freunde nach Unterstützung sehen wir uns in unserer Arbeit bestätigt.
Allerdings gilt es, den Blick zu weiten.
Spendenkritik
Dass wir durch Spenden (nur) Gutes tun, ist ein zu einfacher Gedanke. Er bewertet den Spendenakt in der Regel aus der eigenen Wohltat heraus („Dank meiner Spende kann ein Kind in die Schule gehen. Ergo ist die Spende etwas Gutes“). Jedoch gilt es bei dieser Bewertung die Implikationen eines Spendentransfers zu berücksichtigen. Vieles spricht bei genauerer Betrachtung gegen institutionalisierte, d.h. geplante, gezielte und regelmäßige, Unterstützung des „Globalen Südens”.
1. Im Hinblick auf unser stark beschränktes Afrikabild reduziert wohl jede Bewerbung eines „Hilfsprojekts“ unsere Wahrnehmung des 54 Länder großen, über 2.100 Sprachen diversen und geschichtsreichen Kontinents unwürdig auf die Hilfsbedürftigkeit der Menschen. Menschen aus afrikanischen Ländern, als solche zumeist definiert über ihre schwarze Hautfarbe, werden auf Grund ihres angenommenen Spendenbedarfes in unseren Köpfen im Globalen Norden auch nach der Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei sowie dem formalen Abdanken der Kolonialmächte als untergeordnet, inferior, eingestuft. Auch wo struktureller Rassismus im Ansatz bekämpft wird, fördern Hilfswerke - ob sie es wollen oder nicht - einen mentalen Rassismus, der wiederum in strukturellem Rassismus mündet. Da in großen Hilfsorganisationen meist Menschen, die nicht Teil der in ihrer Kommunikation abgebildeten Gruppen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind, oder westliche Marketing-Erkenntnisse („Mitleid zieht“) ihre Strategien bestimmen, wird die gezielt eingesetzte Darstellung von Hilfsbedürftigkeit genutzt, um Spenden zu mobilisieren. Zwar hat sich deren Art seit der Hungersnot während des nigerianischen Biafra-Krieges vor fünfzig Jahren von einer dramatisierend entblößenden Schaustellung zu einem weitreichend akzeptierten Verhaltenskodex mit einer menschenwürdigeren Darstellung betroffener Menschen gewandelt. Aufgrund rückgängiger Spendeneinnahmen ist jedoch derzeit eine rückwärtige Tendenz hin zur Mitleidsstrategie wahrzunehmen. Und trotz jeglicher Entwicklung in der Spendenindustrie ist die große Mehrheit der in Europa von Afrika wahrgenommenen Bilder negativ konnotiert: Straßenkinder, Dürre, Bürgerkriege, Kinderarbeit, Naturkatastrophen, Perspektivlosigkeit, radikaler Islamismus.(1) So sehr all diese dargestellten Herausforderungen noch zu viele Menschen an einem friedlichen Leben mit Bildung, menschenwürdiger Arbeit und Selbstverwirklichung hindern, so wenig sind sie repräsentativ für die Innovationshubs in Nigeria, die Frauenrechtsaktivistinnen im Sudan und Sambia oder die vielen Versöhnungsleistungen der einst von Konflikten betroffenen Menschen, etwa in Ruanda. Dadurch, dass wir gutherzig für Projekte spenden, und beispielsweise nicht ambitioniert und ähnlich risikofreudig wie an der Wall Street in Unternehmen investieren, behalten wir auch das traditionelle Afrikabild bei; ein für die Menschen schädliches. Es ist ein simpler, aber gängiger Fehlschluss, vom Großen aufs Kleine zu schließen, sich also aufgrund eines verzerrten Afrikabildes dem rassistischen Denken zu fügen, einen einzelnen Menschen aufgrund seiner Hautfarbe grundsätzlich zu unterschätzen. Da wir durch unser Spenden zu diesem Bild beitragen, ist es Teil unserer Verantwortung, diesbezüglich in Deutschland Sensibilisierungsarbeit zu leisten.
2. Spenden schafft materielle Abhängigkeiten. Solange die Arbeit einer Organisation auf externe und unregelmäßige Spenden angewiesen ist, kann sie ihr volles Potenzial nicht entfalten. Ganz konkret: Sobald wir als Förderverein nicht mehr den monatlichen Bedarf der Root Foundation Rwanda decken können, wird die Arbeit vor Ort wahrscheinlich stark eingeschränkt, gar aufhören. Auch wenn Abhängigkeiten unsere Gesellschaft prägen und überall bestehen, ist die zentrale Frage, ob die hier beschriebene eine gute Form der Abhängigkeit ist. Dependenz schafft aber dann einen Mehrwert, wenn sie reziprok ist. Das derzeitige Format hingegen ist nicht von Wechselseitigkeit gekennzeichnet; vielmehr resultiert es in einem Mangel an Planungssicherheit und vorprogrammierten Machtgefälle, indem es die ruandische Organisation in eine Position der Rechtfertigung ihrer Arbeit und Budgetplanung beordert. Die Spenden für die Arbeit in Kigali bauen überwiegend auf die Gunst von Europäer*innen, weshalb sich die ruandische Organisation stets so verhalten wird, diese Gunst zu fördern. Alternative, verlässlichere Finanzierungsformate könnten beispielsweise selbstgenerierte Einkommen (wie bereits durch Einnahmen von Auftritten der Root Foundation Brass Band umgesetzt), staatliche Unterstützungsleistungen (wie etwa Fahrtkostenzuschüsse für Jugendverbandsarbeit in Deutschland) oder erhobene Teilnahmebeiträge sein. Es ist wichtig, dass die Root Foundation das Portfolio ihrer Einnahmen stetig diversifiziert, was wir unlängst in der Tat vermehrt beobachten.
3. Spenden erzeugt ungleiche Machtverhältnisse. Bereits die Unterscheidung Spender*in versus Empfänger*in ist problematisch, insofern als diese Hierarchie verhindert, dass Zusammenarbeit tatsächlich auf Augenhöhe stattfindet. Dies ist natürlicher Ausdruck des Abhängigkeitsverhältnisses und bedingt dieses zugleich. Während ungleiche Machtverhältnisse per se nicht zu verurteilen sind, sind stets ihre Ursachen bzw. ihre Begründungen sowie ihre Konsequenzen ausschlaggebend für die Bewertung ihrer Legitimität. Sofern sie lediglich auf materieller Ungleichheit beruhen, können ungleiche Machtverhältnisse nicht als rechtens gelten. Dies widerspräche unserem demokratischen Grundverständnis, dass alle Menschen unabhängig von ihrem finanziellen Stand die gleichen Rechte genießen. Beim Spendentransfer besitzen die Spender*innen a priori mehr Macht. Der resultierenden Ungleichheit fehlt damit ihre Rechtfertigung (materielle Ungleichheit jedenfalls bildet eine solche nicht). Somit hat das Spenden als Ausdruck ungerechtfertigter Machtungleichheit eine negative Auswirkung auf die Machtverhältnisse – zulasten der empfangenden Organisation. Mehr noch wird dadurch die empfangende Organisation in der Wahrnehmung, in Verhandlungen und in ihrer Autorität stets schlechter gestellt; das verhindert Gleichberechtigung. Besser wäre das Machtverhältnis bei reziprokem Spenden oder etwa im Falle wirtschaftlicher Zusammenarbeit.
4. Spenden verhindert selbstgestaltete Entwicklung. Häufig werden Spenden zweckgebunden oder an Bedingungen geknüpft. Was von Entwicklungsbanken und Geberländern in Form von conditional lending oder earmarked funds häufig als Druckmittel für administrative Reformen - etwa zur Korruptionsbekämpfung oder zur Durchsetzung bestimmter Interessen - genutzt wird, ist nicht weniger als der Export westlicher Vorstellungen von „guten Strukturen“, meist ohne ausreichende Berücksichtigung des lokalen Kontexts. Werden Entwicklungsgelder politisch eingesetzt, z.B. um die Einhaltung der universellen Menschenrechte zu fördern, ist dies legitim und auch nicht kolonial. Wenn jedoch Akteure der einen Seite einer lokalen Organisation auf der anderen diktieren, wie sie ihre Spenden zu verwenden hat (70% Bildung, 10% Personal...), ist dies gefährlich. Es ignoriert zum einen die Tatsache, dass Gebende Bedürfnisse der Zielregion nicht besser einschätzen können als die Empfangenden vor Ort. Es verhindert zum anderen die eigene Schwerpunktsetzung der Arbeit durch die lokale Organisation.
Dazu ein konkretes Beispiel aus unserer Arbeit: Wenn ein*e Spender*in in Deutschland Geld nur für die Schulgebühren eines Kindes in Ruanda verwendet wissen möchte und wir als Verein unsere Spenden in Zukunft an den Zweck Schulgebühren binden, dann ignoriert dies den Bedarf der Organisation nach Personal, Miete, Fahrtkosten, WLAN etc. und nimmt der Root Foundation Rwanda die Möglichkeit, selbst zu entscheiden bspw. mehr Mittel für die Weiterbildung der Freiwilligen zu verwenden. Tatsache ist: Um persönliche Entwicklung, einen erfolgreichen Schulbesuch und umfassende pädagogische Begleitung zu gewährleisten, bedarf es komplexerer Lösungen, als die Spende von Schulgebühren. Wir können aus Deutschland keine besseren Entscheidungen treffen als die Verantwortlichen vor Ort. Grundsätzlich stellen wir deshalb an unsere Spenden keine inhaltlichen Forderungen an die ruandische Empfängerorganisation - was uns als gleichberechtigtem Partner nicht verwehrt, inhaltlich auch mitzureden.
5. Spenden schwächt Eigenverantwortung und ist deshalb nicht nachhaltig. Ideal wäre die „Auto-Suffizienz“ der Arbeit vor Ort, also die unabhängige Finanzierung der Arbeit. Trotz einer verstärkt „gemeinschaftlich“ organisierten Kultur (so beinhaltet die Afrikanische Menschenrechtscharta bspw. Pflichten gegenüber der Gemeinschaft)(2), fühlt sich die ruandische Mittelklasse nach meiner Erfahrung nicht ausreichend verantwortlich für den Erfolg eigener Hilfswerke. Etwa sind während meiner Zeit in Ruanda Versuche lokaler Fundraising-Projekte an mangelndem Spendeninteresse seitens ruandischer Haushalte und Unternehmen gescheitert. Woran das liegt, ist nicht abschließend zu beantworten; vielleicht fehlt es hierfür an Sensibilisierung des direkten Umfelds der Root Foundation Rwanda. Ein anderer Grund ist womöglich, dass diese Verantwortung von anderen übernommen wird, von emphatischen Menschen aus dem Westen, die ihr Gewissen (in dem Wissen um die globale Ungleichverteilung des Reichtums) mit einer Spende beruhigen können - oder positiver ausgedrückt, die mit einer Spende für ihre Überzeugung einstehen, dass jede*r ein Recht auf Bildung und persönliche Entwicklung hat. Für Organisationen wie die Root Foundation Rwanda ist es bisher leichter, im Ausland Spenden zu mobilisieren, als dies lokal zu tun. Vielmehr wird häufig gar nicht versucht (oder nur mit weniger Aufwand), vor Ort die nötigen Mittel zu akquirieren. Dieser Aufwand scheint nicht notwendig, solange der globale Norden die einfachere Geldquelle darstellt. Inzwischen wendet sich das Blatt und die Root Foundation Rwanda hat ihre Bemühungen um lokales Fundraising erhöht.
Jedoch liegt genau hier das Hauptargument der Gegner*innen von Entwicklungsgeldern auf übergeordneter Ebene: Solange externe Unterstützung zur Verfügung steht, werden lokale Strukturen nicht in die Pflicht genommen. Dies lässt sich auch auf Ruanda anwenden: Weil die Root Foundation - von Geldern aus dem Ausland finanziert - sich um die Kinder außerhalb des Systems kümmert und etwa deren Schulbildung bezahlt, besteht für die ruandischen Behörden keine Notwendigkeit, sich dieser Problematik anzunehmen. Folglich braucht es dank der existierenden Parallelstruktur keine zusätzlichen Mehrausgaben in Form von staatlichen Förderprogrammen. Als Anreiz zur Wahrnehmung von Eigenverantwortlichkeit wird deshalb teilweise von manchen gefordert, jegliche Geldtransfers einzustellen. Das Problem dieser Argumentation ist, dass große Unsicherheit darüber herrscht, ob die mangelnde lokale Spendenbereitschaft ihre Ursache tatsächlich in der Verfügbarkeit externer Finanzierungsquellen und damit dem Engagement von Vereinen wie der Root Foundation Germany findet. Reicht diese Kritik der geschwächten Eigenverantwortung also, unserer Solidarität mit weniger entwickelten Regionen dieser Welt ein Ende zu setzen? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem ist festzuhalten, dass es kein langfristiges Modell ist, andere für die Entwicklung des eigenen Landes zahlen zu lassen.
Wäre also dann ohne Spenden alles besser? Das weiß ich nicht.
Deshalb gibt es eine klare Vision: Unsere externe Finanzierung der Arbeit der Root Foundation Rwanda muss langfristig zur Emanzipierung von externer Finanzierung beitragen (was nicht bedeutet, dass wir nicht weiterhin eine von vielen Finanzierungsquellen bleiben können). Das famose Prinzip nachhaltiger Entwicklung, think globally - act locally, liegt nicht allein in unserer Verantwortung, sondern muss auch für unseren ruandischen Partner und andere Zahlungsempfänger dieser Welt gelten. Es ist wichtig, an gleichwertige Partner die gleichen Ansprüche zu stellen. Lokale Finanzierung muss das langfristige Ziel der ruandischen Organisation sein, schließlich gibt es dort eine neureiche Mittelklasse und viele wachsende Unternehmen.
Zwei mögliche Konsequenzen birgt die Auseinandersetzung mit dem Für und Wider des Spendens: Bedingungslos dort zu helfen, wo man kann - schließlich kann jeder Euro das Leben eines jungen Menschen verändern. Oder das Spenden einzustellen, wie es etwa entwicklungspolitische Wissenschaftler*innen und Menschen mit langjähriger Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit im Bonner Memorandum „Entwicklungshilfe für Afrika beenden - Afrika muss sich selbst entwickeln“(3) oder die Autorin Dambisa Moyo mit viel Aufsehen in ihrem Bestseller Dead Aid (2009) fordern. Beides sind keine guten Handlungsoptionen in unserer so komplexen Welt.
Also Spenden oder lieber das Spenden kritisieren? Antwort der Root Foundation Germany e.V.
Anstatt aufgrund dieser Widersprüchlichkeit in Schockstarre zu verfallen und entweder das eine (Spenden) oder das andere (die Kritik daran) zu ignorieren, stellen wir uns als Verein diesem Widerspruch. Im Kompromiss versuchen wir, anstatt ihn aufzulösen, dessen Synthese abzubilden. Dieser Ansatz ist nicht nur selten bei anderen Fördervereinen zu beobachten, sondern birgt auch die Gefahr, missverstanden zu werden, falsch zu liegen oder keinen Erfolg (beim Spendensammeln oder dem dafür Sensibilisieren) zu haben. Aber es ist der einzige Weg, unsere beiden genannten moralischen Ansprüche zu harmonisieren. Ich sehe in unserer Tätigkeit die Chance, „neue Denkmuster [zu] schaffen“ (so die Homepage des Vereins). Wir begeben uns damit als Verein auf zwei Terrains, die selten gemeinsam betreten werden.
Konkret zeigt sich die Berücksichtigung der Spendenkritik bei unserem Spenden in der Ausgestaltung der Partnerschaft. Dazu gehören neben vollständiger Transparenz und deutlich ausformulierten Pflichten für unseren Verein und die Root Foundation Rwanda etwa auch, dass über die Spendenverwendung nur in Ruanda entschieden wird, wir offen über Möglichkeiten der lokalen Spendenakquise diskutieren (welche die Root Foundation bereits stärkt!), und stets im Bewusstsein der oben genannten Kritikpunkte entscheiden. Den immateriellen Aspekten der Spendenkritik können wir nur gerecht werden, indem wir uns mit ihnen auseinandersetzen, sie diskutieren. Das verlangsamt Prozesse, erfordert Energie, kann frustrierend sein, und ist ganz und gar keine leichte Aufgabe (es gibt keine abschließend richtige Antwort), ja vielmehr ein endloser Reflexionsprozess. Anstatt also unsere Aktivitäten nur hinsichtlich unseres Spendenpotenzials strategisch zu evaluieren, machen wir es uns ebenso zur Aufgabe, all unser Tun kategorisch zu hinterfragen. Wir messen Erfolg also auch in Reflexionsstunden. Dabei müssen wir stets besser werden und uns bewusst dafür entscheiden, nicht den einfacheren Weg des kritiklosen Spendensammelns zu wählen.
Die Root Foundation Germany e.V. ist ein Kompromiss. Es ist unser Versuch, die Widersprüchlichkeit des Spendens zu thematisieren und Akte der Solidarität von ihrem Zielkonflikt zu erlösen. Dies ist sowohl eine spezifisch-persönliche als auch eine abstrakt-intellektuelle Herausforderung. Deshalb ist weder der Erfolg dieses Vorhabens garantiert, noch können wir „richtige“ Antworten auf die vielen hier diskutierten Fragen anbieten. Fragen, die wir zunächst uns selbst stellen.
Ich würde mich freuen, wenn der Verein Sie und Euch als Spender*innen und als Nachdenker*innen gewinnen kann.
Nicht einverstanden mit dem, was ich geschrieben habe? Dort stecken Fehler in meiner Argumentation? Einen wichtigen Aspekt habe ich vergessen? Einen Punkt findet Ihr besonders interessant und möchtet Ihr diskutieren? Meldet euch gerne: paul@rfgermany.org
Quellen:
Ebenso einseitig scheint die Wahrnehmung von Europa weitestgehend positiv konnotiert zu sein.
Art. 27-29 Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981), „Banjul Charter“.
Root Foundation Germany e.V. as a compromise
This text reflects the personal viewpoint of a founding and former board member of the association, who does not claim to speak on behalf of the association as a whole. All arguments arise from his attitude based on experience, reflection and studies.
The association Root Foundation Germany e.V. is a compromise.
On the one hand, there is the will to support Root Foundation Rwanda (RFR) financially and in non-material ways; it arises from the need of support, which many members of the association themselves have testified to. On the other hand, we are concerned by the challenge of continuing an outdated North-South divide through our financial contributions to Rwanda and the risk of thereby reinforcing harmful structures; it arises from the discursive debate on development policy issues and criticism of (post-)colonial structures.
This suggests two opposing actions: donation vs. donation criticism.
The following text discusses the necessity of donating, aspects of donation criticism and how Root Foundation Germany deals with this dilemma.
Donation
“We are grateful for any support that makes our work possible and we appreciate your commitment to dedicate a whole year of your life to our cause.” Those words of welcome from almost 4 years ago when I started volunteering at Root Foundation Rwanda still linger on. They serve as my personal legitimation to collect donations in Germany for the great work of the “Root”. Hardly anything seems easier than to recognize the financial needs of the organization on site in Kigali.
While many of my thoughts have changed since my time in Rwanda's capital, one remains unchanged to this day: The work of the organization is essential for the people concerned and - measured against comparable initiatives in Kigali - so good that it should continue in any case and grow in reach and quality in the best case. Its extraordinary potential to make a difference in the personal development of hundreds of young people in their lives needs to be realized. This necessarily requires money, and raising it has been one of the most difficult tasks in each of the last 8 years of the NGO's existence. To mobilize sufficient local funds for financing seems to be still a long way off (for more on the causes see donation criticism 5). Apart from a higher willingness to donate in the Global North, Germany, unlike Rwanda, has the necessary infrastructure for fundraising (e.g. access to fundraising websites, issuing of donation receipts, possibility of PayPal payments, direct transfer without transaction costs).
The positive effects of donating on the work and people on the ground should not be underestimated; because after all, it is not only the source of funding for valuable activities. In fact, donating is also an ideational support: the recognition of the good work and voluntary commitment of the more than 10 Rwandans, thus an external motivation for personal commitment, and last but not least encouragement for honourable service under not always easy conditions.
So, as former volunteers, we have founded a supporting association. At the present time, external funding is indispensable for the continued existence of RFR, which is why we are committed. Eventually, after our learning experience in Rwanda and considering the continuing very close contact with volunteers in Kigali, it is even more difficult to close one's eyes in face of the needs of RFR or to even ignore them. We consider the explicit wish of our Rwandan friends for support as the legitimation of our work.
One has to look beyond, however.
Donation criticism
That we do (only) good by donating is a too simple thought. This reasoning usually evaluates the act of donation out of the own charity (“Thanks to my donation a child can go to school. Consequently, the donation is something good.”). Yet this evaluation must take into account the implications of a donation transfer. On closer examination, there is much to be said against institutionalized, i.e. planned, targeted, and regular, support of the “Global South”.
1. In light of our very limited image of Africa, every visible “aid project” is likely to unduly reduce our perception of the 54 countries large and over 2,100 languages diverse continent with its rich history merely to the neediness of its people. People from African countries, mostly defined as such through a black skin colour, are classified by our minds in the Global North as subordinate and inferior exactly because of their presumable need for donations despite the abolition of the slave trade, slavery and the formal abdication of the colonial powers. Even where structural racism is being fought at the outset, aid organisations - whether they like it or not - promote mental racism, which in turn leads to structural racism. As in large aid organisations mostly those who do not represent the group of beneficiaries are responsible for marketing or, at least, Western marketing insights ("pity draws") determine their strategies, attention is often deliberately drawn to the neediness of people so as to mobilize donations. This has evolved from a dramatizing exposition of people concerned by the famine during the Nigerian Biafra War fifty years ago to a widely accepted code of conduct with a more humane displaying of affected groups. However, due to a decline in donations turnover, a backward trend towards a strategy of compassion is currently discernible. And despite any development in the donations industry, the vast majority of the images perceived of Africa in Europe have negative connotations: street children, drought, civil wars, child labour, natural disasters, lack of prospects, radical Islamism.(1) As much as all these challenges described still prevent too many people from living a peaceful life with education, decent work, and self-realization, they are not representative of the innovation hubs in Nigeria, the women's rights activists in Sudan and Zambia or the many reconciliation efforts of people once affected by conflicts, for example in Rwanda. By kindheartedly donating small amounts to aid projects instead of, for example, investing in companies in an ambitious and similarly risk-taking manner as on Wall Street, we are also preserving the traditional image of Africa. An image which is harmful to its people. It is a simple but common misconception to draw conclusions from the big picture to the small, i.e. to submit to racist thinking on the basis of a distorted image of Africa, to fundamentally underestimate an individual person on the basis of his or her skin colour. Since we contribute to this image through our donations, it is part of our responsibility to raise awareness for this problem in Germany.
2. Donations create material dependencies. As long as the work of an organisation depends on external and irregular donations, it cannot unleash its full potential. In concrete terms: As soon as we – in our role as a support association – can no longer cover the monthly costs of Root Foundation Rwanda, the work on site will probably be disrupted or even come to a halt. Although dependencies shape our society and exist everywhere, the central question is whether the one described here is a good form of dependence. Dependence creates added value whenever it is reciprocal. The current format, however, is not characterised by reciprocity; rather, it results in a lack of planning security and imbalances in power are bound to occur, as the Rwandan beneficiary is put into a position to justify its way of work or budgeting. The donations for the work in Kigali largely depend on the favour of Europeans, which is why the Rwandan organisation will always act in a way that promotes this favour. Alternative, more reliable financing formats could be self-generated income (such as income from performances by the Root Foundation Brass Band as has already been realized), governmental support (such as travel grants for youth association work in Germany) or raised participation fees. It is important that Root Foundation steadily diversifies its income portfolio, which we do actually observe more lately.
3. Donations create unequal power relations. The distinction between donor and recipient is problematic as it creates a hierarchy which prevents cooperation from, in fact, taking place at eye level. This is a natural expression of the relationship of dependence and at the same time its cause. While unequal power relations are not to be condemned per se, their causes or justifications as much as their consequences are always decisive in assessing their legitimacy. If solely based on material inequality, unequal power relations cannot be deemed legitimate. This would contradict the common democratic understanding that all people enjoy the same rights, regardless of their financial status. When it comes to the transfer of donations, the donors have a priori more power. The resulting inequality lacks justification (material inequality, by all means, does not constitute the latter). Thus, as an expression of unjustified power inequality, donating has a negative effect on the balance of power - at the expense of the receiving organisation. Moreover, the receiving organisation is always worse off in terms of perception, negotiations and authority; this prevents equality. The balance of power would be better in a reciprocal flow of donations or in the case of economic cooperation.
4. Donations prevent self-driven progress. Often donations are either destined for a specific purpose or subject to specific conditions. What is often used by development banks and donor countries in the form of conditional lending or earmarked funds as a means of exerting pressure for administrative reforms - for instance to fight corruption or to assert certain interests - is no less than the export of Western ideas of "good structures", usually without sufficient consideration of the local context. If development funds are used politically, for instance to promote adherence to universal human rights, this is legitimate and not colonial. However, if actors of one side dictate a local organisation on the other side how it should use its donations (70% education, 10% personnel...), this is dangerous. On the one hand, it ignores the fact that local recipients are in a much better position than donors to assess the needs of the target area. On the other hand, it prevents the local organisation from setting its own priorities for its work.
Here is a concrete example from our work: If a donor in Germany only wants money to be used for the school fees of a child in Rwanda, and we as an association tie our donations to the purpose of school fees in the future, then this ignores the organisation's needs for staff, rent, travel costs, WiFi etc. and deprives Root Foundation Rwanda of the possibility to decide for itself to use more funds e.g. for the further training of volunteers. Fact is: to ensure personal development, successful school attendance and comprehensive pedagogical support, more complex solutions are needed than donating school fees. We from Germany cannot make better decisions than those responsible locally. As a matter of principle, we therefore do not make any demands on our donations to the Rwandan recipient organisation in terms of the use of donations - which does not prevent us, as an equal partner, from also having a say in the use of donations.
5. Donations weaken personal responsibility and are therefore not sustainable. The ideal would be "auto-sufficiency" of the work on site, i.e. the independent financing of the work. In spite of a more "community-based" culture (e.g. the African Charter of Human Rights contains obligations towards the community),(2) the Rwandan middle class does, in my experience, not feel sufficiently responsible for the success of its own aid organisations. During my time in Rwanda, for example, attempts of local fundraising projects failed due to a lack of interest in donations from Rwandan households and businesses. The reason for this cannot be answered conclusively; perhaps the direct environment of Root Foundation Rwanda is not sensitized to the problem. Another reason may be that this responsibility is taken over by others, by emphatic people from the West, who can silence their conscience (knowing about the global inequality of wealth distribution) with a donation - or more positively expressed, who stand up with their donation for their convictions that everyone has a right to education and development. For organisations like Root Foundation Rwanda, it has so far been easier to mobilise donations abroad than to do so locally. Instead, there is often no attempt (or only with little effort) to raise the necessary funds locally. This does not seem to be necessary as long as the Global North is the easier source of funding. Meanwhile, the tides are turning and Root Foundation Rwanda has increased its efforts of local fundraising.
However, here is precisely the main argument of opponents of development funds on a macro level: as long as external support is available, local structures will not be held accountable. This can likewise be applied to Rwanda: Since Root Foundation - financed by funds from abroad - takes care of children outside the system and pays for their schooling, for instance, there is no need for the Rwandan authorities to address this issue. Consequently, thanks to the existing parallel structure, additional expenditure in the form of government support programmes becomes superfluous. As an incentive to take responsibility for one's own actions, some call for a stop of all money transfers. The problem with this argumentation is that there is great uncertainty as to whether the lack of local willingness to donate is actually caused by the availability of external sources of funding and thus the commitment of associations such as Root Foundation Germany. Is this criticism of weakened individual responsibility hence enough to put an end to our solidarity with less developed regions of the world? Probably not. Nevertheless, it must be claimed that it is not a long-term model to let others pay for the development of one's own country.
Would thus everything be better without donations? I don't know.
That is why there is a clear vision: our external funding of the work of Root Foundation Rwanda must contribute to the emancipation from external funding in the long term (which does not mean that we cannot continue to be one of many sources of funding). The splendid principle of sustainable development, think globally - act locally, is not only our responsibility, but must also apply to our Rwandan partner and other recipients of funding in the world. It is important to make the same demands on equal partners. Local financing must be the long-term goal of the Rwandan organisation, after all there is a nouveau riche middle class and many growing companies.
There are two possible consequences of dealing with the pros and cons of donating: To help unconditionally where you can - after all, every Euro can change a young person's life. Or to stop donating, as e.g. development policy scientists and people with many years of experience in development cooperation call for in the Bonn Memorandum "Ending Development Aid for Africa - Africa must develop itself"(3) or as the author Dambisa Moyo does in her bestseller Dead Aid (2009) that received much attention. Neither are good options for action in our so complex world.
Donate or rather criticise donating? Root Foundation Germany e.V.’s response
Instead of falling into a state of shock because of this contradiction and ignoring either one (donations) or the other (criticism), we as an association face this contradiction. In the compromise, instead of resolving it, we try to reflect its synthesis. This approach is not only rarely seen in other charities, but also carries the risk of being misunderstood – the risk of being wrong or of not being successful (in collecting donations or in raising awareness of them). But it is the only way to harmonise our two mentioned moral claims. I see our work as a chance to “create new ways of thinking” (just as the homepage of the association claims). As an association, we are thus entering two terrains that are not usually trodden together.
In concrete terms, the consideration of the donation criticism in our process of donating is reflected in the configuration of the partnership. In addition to complete transparency and clearly formulated obligations for our association and Root Foundation Rwanda, this includes e.g. that decisions on the use of donations are only made in Rwanda, that we openly discuss possibilities for local fundraising (which Root Foundation is already strengthening!), and that we always make decisions in awareness of the above-mentioned points of criticism. We can only do justice to the immaterial aspects of donation criticism by dealing with them, by discussing them. This slows down processes, requires energy, can be frustrating, and is not at all an easy task (there is no final right answer), but rather an endless process of reflection. So instead of strategically evaluating our activities only in terms of our donation potential, we also make it our task to categorically question everything we do. Hence, we also measure success in hours of reflection. In doing so, we must constantly improve and consciously decide not to choose the easier way of collecting donations without criticism.
Root Foundation Germany e.V. is a compromise. It is our attempt to address the inconsistency of donations and to free acts of solidarity from their conflict of goals. This is both a specifically personal and an abstract intellectual challenge. Therefore, the success of this project is neither guaranteed nor can we offer "correct" answers to the many questions discussed here. Questions that we first of all ask ourselves.
I would be delighted to welcome you as a reflective donor to the association.
You disagree with what I have written? There are mistakes in my argumentation?
Have I forgotten an important aspect? There is a point you find particularly interesting
and would like to discuss? You are welcome to contact me: paul@rfgermany.org
Sources:
Just as one-sidedly, the perception of Europe seems to have positive connotations to a large extent.
Art. 27-29 African Charter on Human and Peoples' Rights (1981), "Banjul Charter".
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